Renate Böhm, langjährige OJC’lerin hier im Haus der Hoffnung in Greifswald, berichtet über persönliche Erfahrungen mit Israel:
Was bedeutet für mich persönlich der Ruf „Tröstet, tröstet mein Volk!“ (Jes. 40,1)?
Schon als Jugendliche habe ich viel über den Holocaust gelesen und über das Schicksal jüdischer Menschen, die ihn überlebt haben. Das ist mir sehr nahe gegangen und hat u.a. die Liebe zum Volk Israel in mich hineingelegt und den Wunsch in Israel zu leben und den Israelis Gutes zu tun, die unter und durch uns Deutschen solch großes Leid erfahren haben.
Mit 60 Jahren wurde dieser Traum Wirklichkeit: 60 Tage meines Lebens konnte ich als Gabe zur Verfügung stellen für die Menschen, die den Holocaust überlebt haben. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz stieß ich auf das Werk Zedakah (hebräisch; „Wohltätigkeit“), das im Jahre 1960 von dem Ehepaar Nothacker gegründet wurde; auf Anregung der holocaustüberlebenden Jüdin Helene Wyman. Die Zentrale hat ihren Sitz in Maisenbach in Deutschland.
Im Norden Israels unterhält Zedakah zwei Häuser, in welchen Holocaustüberlebende praktische Nächstenliebe durch Christen aus dem deutschsprachigen Raum erfahren: Das Gästehaus Beth El in Shavei Zion, wo ich arbeitete, und Beth Elieser, ein Pflegeheim in Maalot an der libanesischen Grenze.
„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott“, ist seit Beginn das Leitwort der Arbeit von Zedakah. Dort habe ich in den zwei Monaten die Bedeutung dieses Rufes und Auftrags erfahren: Die Freude, mit der die Mitarbeiter und jungen Volontäre ihre Arbeit tun – beim Putzen, in der koscheren Küche, Gartenarbeit, Wäscherei; und die Herzlichkeit in der Begegnung mit den Menschen. Ich durfte mich für kurze Zeit in die Schar all der deutschen Frauen und Männer einreihen, die Gottes Volk, das den Holocaust überlebt hat, auf verschiedene Art und Weise tröstet.
Eine Begegnung in dieser Zeit berührte mich besonders tief: Lea H., damals 90jährig, erzählte uns in einer kleinen Runde, wie sie als Jugendliche, in der damaligen Tschechoslowakei geboren, mit drei ihrer Schwestern nach Ausschwitz deportiert wurde und diesen Ort überlebt hat. Wie sie ihren Mann kennenlernt und 20jährig mit ihm nach Israel auswandert und beim Aufbau des Staates Israel mithilft – mit allen Höhen und Tiefen. Zwei Söhne hat sie geboren, elf Enkel und 26 Urenkel wurden ihr geschenkt.
Es sei ihr schwer gefallen uns zu erzählen, sagte sie, aber sie wolle es uns erzählen, damit wir es unseren Kindern weitererzählen. Die Traumatisierung hat ihr Leben geprägt – sie musste 4x am Tag mehrere Medikamente nehmen um ihren Alltag zu leben, hatte nachts Alpträume und schlief nur wenig. Sie ist nicht verbittert – sie verspürt einen Auftrag: In den Jahren, die ihr noch bleiben, ihre Geschichte den jungen Menschen weiter zu erzählen. So geht sie an Schulen.
„Wie kannst du Freund sein mit Deutschen?“, wurde sie in Israel gefragt. Ihre Antwort: Weil sie die Liebe von Christen erfahren hat.
Mehr interessante Beiträge zu dem spannenden Thema Israel sind im OJC-Magazin Salzkorn 1/2024 zu finden.