Wir sind Staub!

Ich werde manchmal gefragt: „Fehlt dir etwas, seitdem ihr in Greifswald seid und du kein Gemeindepfarrer mehr bist?“ Mir fällt dann immer kaum was ein. Uns geht es gut und ich kann viele schöne Dinge machen, z.B. kurze Gedankenimpulse aufschreiben 😉

Doch dann höre ich die Sprachnachricht eines Freundes: Im Hintergrund zwitschern Vögel und Posaunen spielen „Stern auf den ich schaue“ – geistlicher Spaziergang auf einem Friedhof in Baden-Württemberg. Und da findet gerade – in einiger Entfernung – eine Beerdigung statt. Und da merke ich es sofort: Das fehlt mir!

Das klingt vielleicht zunächst etwas seltsam, aber Beerdigungen, Aussegnungen und Trauergespräche – das ist existentiell, da geht es ums Eingemachte, da passt das Evangelium von der Auferstehung Jesu Christi und der Trost der neuen Welt Gottes. Das erdet mich. Nach einer Beerdigung gehe ich anders nach Hause und gehe auch anders mit meinen Kindern um.

In dem wunderbaren Psalm 103 heißt es (Vers 14):

„Denn er (Gott) weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.“

Was für ein fremder Gedanke: Wir sind Staub! Du bist Staub! Ich bin Staub! Und nochmal bin ich gedanklich auf einem Friedhof. Unzählige Male sprach ich „Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub …“. Staub meint im Hebräischen dabei aber weniger das, was wir in der Wohnung wegsaugen, sondern vielmehr meist die trockene Erde. In der Schöpfungsgeschichte heißt es (Gen 2): Der Mensch wird aus dem Staub vom Ackerboden geschaffen. Und weiter (Gen 3,19): „Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“

Staub steht für das Vergängliche. Manchmal tut mir das gut, das vor Augen zu haben. Das macht mich demütig. Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt. Es dreht sich nicht alles um mich. Interessant ist dabei jedoch, dass der Psalmbeter nicht völlig im Staub versinkt, sondern einen wunderbaren Spagat hinbekommt: „Denn er (Gott) weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.“ Das ist ja eine Begründung. Aber für was denn? Die Antwort finden wir in den Versen davor (Ps 103,11-13):

„Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.“

Wir sind nicht nur Staub!

Auf den Punkt bringt es Rabbi Bunam: „Wir brauchen einen Mantel mit zwei Taschen. In einer Tasche befindet sich Staub, in der anderen Gold. Greife je nach Situation in die passende Tasche! Ein solcher Mantel erinnert uns daran, wer wir sind.“

Ja, wir sind beides! Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht:

Du bist Gold und Staub.

Funkeln, Gold, Punkte, Staub, Platzen

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